Obwohl Klettern ein skillbasierter Sport ist, kann man als Neuling leicht dem Irrtum aufsitzen, schwerer zu klettern würde vor allem mehr Kraft erfordern. Unterstützt wird dieser Eindruck von zahllosen Videos in den sozialen Netzwerken, in denen Kletterer ihre körperlichen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Einarmige Klimmzüge, Muscle-ups oder an zwei Fingerspitzen an einer Mikroleiste hängen – alles kein Problem für sie. Was dadurch leicht übersehen wird: Damit Spitzenathleten ihr Potenzial wirklich ausschöpfen können, müssen sie ihre Technik perfektionieren. Ein hochgezüchteter Rennwagen braucht schließlich auch einen fähigen Fahrer. Bevor du dich ans Tuning deines Motors machst, solltest du deshalb lernen, wie du das Kiesbett vermeidest. Oder anders gesagt: Beim Einstieg ins Klettern geht es erst einmal darum, dir die wichtigsten Techniken anzueignen, bevor Griffbrett, Campusboard und Co interessant werden.
Die Basics zu erlernen, ist überraschend einfach. Zwar ist nicht alles intuitiv, was einen guten Kletterstil ausmacht. Weißt du allerdings, worauf du achten musst und setzt dieses Wissen um, kann das sofort einen gewaltigen Unterschied machen.
Wer hinschaut, klettert besser
Der Punkt, mit dem nahezu jeder anfangs Probleme hat, ist der richtige Einsatz der Füße. Weil wir uns mit den Händen an der Wand halten, sind die meisten Einsteiger darauf fokussiert, sicheren Halt für ihre Hände zu suchen. Die Füße werden hingegen achtlos auf die Tritte gestellt, manchmal sogar ohne dafür nach unten zu schauen.
Das solltest du unbedingt vermeiden, denn den Füßen kommt beim Klettern buchstäblich eine tragende Rolle zu. Stehen sie gut, kannst du viel Kraft aus den Beinen holen und den Oberkörper entlasten. Sind sie unsicher platziert, ist das Gegenteil der Fall. Läuft es ganz schlecht, rutschen sie sogar ab, sodass deine Hände und Arme die ganze Arbeit übernehmen müssen. Das kostet nicht nur Kraft, es vermittelt auch ein Gefühl von Unsicherheit. Die wiederum wirkt sich auf den gesamten Kletterstil aus. Befreit klettern kannst du so nicht.
Wie du (vielleicht) stehst und wie du stehen solltest
Gute Fußtechnik ist kein Hexenwerk und beginnt damit, die Aufmerksamkeit auf die Füße zu richten, sobald und solange es nötig ist. Heißt ganz konkret: Erreichst du beim Klettern einen Punkt, an dem du merkst, dass du die Füße nachholen musst, schaust du nach unten und suchst den nächsten Tritt. Anschließend setzt du deinen Fuß weiter, lässt den Blick aber so lange auf dem Tritt ruhen, bis dein Fuß wirklich sein Ziel erreicht hat und solide sitzt. Erst dann schaust wieder woanders hin.
Apropos „solide sitzen“: Gemeint ist damit in den allermeisten Fällen, dass du auf den Zehen stehst. Einsteiger machen das gern falsch. Sie stehen mit dem Großzehenballen oder dem Mittelfuß auf dem Tritt. Das funktioniert am Anfang dank großer Tritte noch mehr oder minder gut, trotzdem solltest du daraus keine Gewohnheit machen. Zum einen werden die Tritte schnell kleiner und verbieten diese Technik, zum anderen schränkst du deine Bewegungsfreiheit stark ein. Auf den Zehenspitzen stehend kannst du deinen Fuß nach Belieben drehen und die Ferse heben oder absenken, wenn es nötig ist. Sitzt der Zehenballen oder der Mittelfuß auf dem Tritt, klappt das nicht.
Übrigens: Ein guter Kletterschuh unterstützt dich beim Stehen. Turn- oder Leihschuhe sind deshalb keine Dauerlösung. Merkst du, dass der Sport etwas für dich ist, solltest du dir ein gut sitzendes eigenes Paar Kletterschuhe anschaffen.
Langer Arm und entkoppeln: Bewege nicht mehr, als du musst
Sich effizient zu bewegen, bedeutet, Muskeln nur so weit zu fordern, wie es nötig ist. Beim Klettern trifft das ganz besonders auf die Arme und Finger zu. Sich dank guter Fußtechnik von den Füßen tragen zu lassen, ist schon die halbe Miete. Die Belastung des Oberkörpers lässt sich aber auch reduzieren, indem du auf unnötige Bewegungen verzichtest. Dazu gehört das permanente Anziehen der Arme. Für viele Einsteiger scheint es völlig natürlich zu sein, den Körper während des Kletterns ständig nah an der Wand zu halten. Tatsächlich frisst das aber an den Energiereserven und sorgt dafür, dass du in einer Route eher aufgeben musst. Besser ist es, so oft wie möglich am gestreckten Arm zu hängen. Im Klettersprech ist vom Klettern am langen Arm die Rede.
Gemeint ist damit nicht, dass die Arme permanent gestreckt bleiben müssen. Manchmal lassen sich Züge nur durchs Anziehen der Arme lösen, zum Beispiel beim Weitergreifen. Wichtig ist aber, die Arme nur so lange anzuspannen, wie es für die Bewegung nötig ist. Hast du den nächsten Griff erreicht, streckst du den neuen Haltearm, und entspannst den anderen.
Auf das Weitergreifen folgt häufig das Weitertreten. Die Arbeit der Arme beschränkt sich in dieser Phase idealerweise komplett auf das Halten. Auch damit haben Einsteiger häufig Schwierigkeiten. Sie ziehen die Arme an, während sie die Füße neu setzen, obwohl das für die Bewegung nicht nötig wäre. Dabei ist der lange Arm gerade jetzt doppelt nützlich: Zum einen ist er effizienter. Zum anderen erlaubt er es dir, dich etwas aus der Wand herauszulehnen und so besser zu sehen, ob deine Füße sicher auf den Tritten landen. Klebst du mit der Nasenspitze an der Wand, weil du unnötig die Arme anziehst, geht der wichtige Überblick verloren.
Der Hüfteinsatz macht den Unterschied
Dass unsere Arbeit mit Armen und Beinen maßgeblich Einfluss auf das Klettern hat, ist offensichtlich. Für den Einsatz der Körpermitte gilt das nicht so sehr, was sie aber nicht weniger wichtig macht. Cleverer Hüfteinsatz erlaubt es oft erst, die bereits beschriebenen Techniken konsequent umzusetzen.
Dabei geht es nicht so sehr um das anatomische Konstrukt „Hüfte“ – auch wenn dessen Beweglichkeit für Kletterer wichtig ist -, sondern um den Körperschwerpunkt und dessen Positionierung. Um effizient zu klettern, ist es wichtig, stabile Körperpositionen zu finden, in denen du kaum Kraft brauchst, um an der Wand zu bleiben. Positionen, die es dir auch erlauben, einen Fuß oder eine Hand zu lösen, ohne aus der Route zu kippen oder zu pendeln. Schlüssel dazu ist oftmals die Verlagerung des Körperschwerpunkts.
Hier ein Beispiel, um die Idee zu verdeutlichen: Stell dir einen vierbeinigen Tisch vor, auf dem in der Mitte ein Buffet aufgebaut ist. Nimmst du ein Bein des Tisches weg, gerät er aus dem Gleichgewicht und fällt um. Schiebst du vorher das Essen in Richtung der übrigen drei Beine und entfernst dann das vierte Bein, passiert nichts. Der Tisch bleibt stehen, die Party kann weitergehen. Das gleiche Ziel verfolgst du, in dem du beim Klettern vor einem Zug die Hüfte in die eine oder andere Richtung verlagerst. So kannst du eine Hand oder einen Fuß entlasten, um ohne großen Kraftaufwand weiterzuziehen oder zu treten. Die Fähigkeit, stabile Positionen zu finden, kommt dir aber auch beim Klippen von Exen oder beim Pausieren an der Wand zugute.
Zugegeben: Das klappt nicht in jeder Klettersituation. Manchmal ist es erst die unvermeidliche Instabilität, die einen Zug schwer macht. In Einsteigerrouten, vor allem in der Halle, sollte das aber die Ausnahme sein. Fällt es dir schwer, die Füße und Hände ohne Schwung weiterzusetzen oder eine Hand oder einen Fuß zu lösen, ohne aus der Wand zu pendeln, hast du wahrscheinlich noch nicht die richtige Körperposition gefunden. Wie du ein besseres Gefühl dafür bekommst und mit welchen Übungen du die übrigen Kletterbasics trainieren kannst, erkläre ich dir im nächsten Artikel.